SA. 16.06.07 NATION OF JAK + THE NU WORLD REVOLUTION & DAS DREHMOMENT

up: Nation Of Jak + The Nu World Revolution:
TRAXX (Nation, Gigolo, Crème Organization, Chicago) JAMES T. COTTON (Nation, Ghostly, Detroit) X2 (Relief, Detroit, Chicago) D'MARC CANTU (Nation, Ghostly, Detroit) TINY (Idealfun, Dresden)
down: Das Drehmoment auf Tour:
POLYGAMY BOYS (Bunker, Goodlife, Spacefactory) SNEAK THIEF (Lasergun, Berlin, Canada) FBS (Das Drehmoment, Berlin) LESBIAN MOUSECLICKS (Das Drehmoment, Utrecht) TG (Das Drehmoment, Berlin) NICCI D. (Das Drehmoment) KAIROPHOB (Das Drehmoment, FBS)

Start: 23:00 | add to Cal


Willkommen zum Abend des ständigen "Bäumchen wechsle dich". Die Künstler des Abends werden oben wie auch im Keller einmal allein, dann wieder mit jemand anderem zusammen und beim nächsten Mal mit jemand weiterem auf den Bühnen stehen. Die Kollaborationen nehmen kein Ende und es ist kaum noch nachzuvollziehen, gibt`s da ein Ende, einen Übergang, wer ist gerade nur zur Toilettenpause oder wer wird ab nun dauerhaft im Backstage chillen?

James T. Cotton ist ein schöner Ausgangspunkt des Drehens um die eigene Achse. Eigentlich als Tadd Mullinix im bürgerlichen Leben unterwegs, um etwa den Führerschein zu beantragen, schaffte er sich für jede musikalische Vorliebe zum Ausleben ein neues Pseudonym. Nachdem er als Kind klassischen Musikunterricht genoss, begann er sein Producerdasein mit Raggajungle als SK-1. Das war Mitte der 90er Jahre. Anfang des neuen Jahrtausends ist er dann woanders angelangt. Dabrye ist vielleicht zur Zeit durch sein 2006er "Two/Three" Album auf Ghostly International am bekanntesten und steht für seine frischen, unkonventionellen HipHop Produktionen, inspiriert von der gute Seite der Ohnmacht, wie Public Enemy oder DJ Premier.

Das ewig genannte Kraftwerk lassen wir mal außen vor. Wahrscheinlich muss jeder 30 Jahre nach einem Phänomen, dieses als Inspiration erwähnen, wenn in ähnlichen Gewässern gefischt wird, in denen man sich auch gern bewegen möchte. Es ist immerhin eine gute Generation her, die Kraftwerk nun schon Vergangenheit sind. Kurzer psychoanalytischer Einschub: Man kann nun Kraftwerk dafür verantwortlich machen, dass sie immer wieder auf Mamas Plattenteller liefen. Im Zweifel können sie auch dafür herhalten, dass sie eben gerade nicht auf dem Plattenteller rotierten, sondern immer noch Elvis. Friede seiner Asche! Heute muss niemand mehr Songs anderer nachsingen und dabei gekonnt mit den Hüften wackeln. Techno erfordert anderes. Ideen zum Beispiel in der nun auch schon 20-jährigen Entwicklungsgeschichte des Genres rund um den technologisch erzeugten Beat. Warp macht diese Ideen in den 90ern öffentlich und Tadd Mullinix ist angefixt und seitdem vollauf damit beschäftigt sie hörbar zu machen, denn HipHop allein macht ihn nicht glücklich.

Also her mit dem neuen Pseudonym. James T. Cotton war noch unbenutzt, frei somit für die Füllung mit musikalischen Ideen. Die bewegen sich im als "schräg" Rezipierten. Das ist Abfahrt für das Paranoiker-Scifi-Alter Ego und nichts für die salopp geschwungene Handtasche. Das sollte klargestellt sein. James T. Cotton (Das T steht für Techno?) agiert hier ehrlich bis auf die Knochen, ohne Überlegung, ob das noch angenehm zu hören ist.

Allein macht das Schrauben an den Analogkisten und Cursorschieben am Laptop keinen Spaß und so sitzt 2005 Nicholas D'Marc Cantu neben Mullinix. Gemeinsam schaffen sie als 2 AM/FM einige acidinfizierte Technoperlen für die Tanzfläche, die durch Spectral, Ghostlys Danceunterlabel, ans Licht gelangen. Ihre "Part 1" EP fand schnell Eingang in die Sets von Koze oder Laurent Garnier. D'Marc Cantu ist am Abend gleich zweimal live zu erleben. Das eine Mal steht er solo auf der Bühne. Danach oder vielleicht auch davor, wir wissen es nicht genau, steht ihm Tadd Mullinix zur Seite, das aber nicht allein. Traxx, der Chicagoer mit länger währenden Europaaufenthalten, hat auf seinem sich heute präsentierenden jungen Label Nation dem Duo 2 AM/FM eine Releaseheimat gegeben und als Trio bilden sie die live aufspielende Formation X2. Hier stehen keine Laptops auf der Bühne. Traxx setzt voll auf Analogequipment! Schiefgehen kann da eigentlich kaum etwas, stehen sich doch auch Traxx und Mullinix, oder sollten wir lieber sagen James T. Cotton, musikalisch sehr nah. Ihre gemeinsamen Tracks als Saturn V fanden Erwähnung auf Labels wie Muzique, Creme Organization oder Relief.

Traxx ist wohl derjenige, welcher immer wieder Houseeinflüsse einarbeitet. Seine Heimatstadt wird daran ihren Anteil haben. Auch wenn Traxx als Inspirationen eine Menge mehr als das Chicago der Achtziger angibt. Da finden sich unterschiedlichste Namen, wie Prince, Joy Division, Happy Mondays, The Roots, Front 242 und noch jede Menge mehr. Man mag kaum Namen herausgreifen, aber eines wird vielleicht deutlich, hier wird eingesogen, was das Zeug hält. Im Anschluss wird es wieder ausgestoßen und riecht völlig anders. Mal acidlastig rotzig schiebt er in Kollaboration als Dirty Criminals die 303 nach vorn. Dann wieder fühlt sich das Ganze mehr nach emotional aufgeladenem House an. Zum Schluss geht es immer nur um eines: Kontrolle verlieren und eintauchen in Musik. So ist das mit Liebhabern und Gesichtsfeldverengungen. Links und rechts interessieren nicht. Wichtig ist das Ziel - ausschließlich und bedingungslos!

http://www.kode.org
http://www.myspace.com/cremeorganization
http://www.myspace.com/jakbeat
http://www.smack-dynamik.com
http://www.ghostly.com

Text: criticale


Auf dem Kellerfloor wird das Wechseln fortgesetzt, allerdings mit anderen Künstlern. Die Polygamy Boys bewegen sich im Umfeld der retroinfizierten und doch sich fortentwickelnden, wenn auch zurzeit wenig beachteten, nennen wir es der Einfachheit halber: Neodisco. Michel Morin, gebürtiger Kanadier hat nach mehr als einhundert Liveauftritten seit 1997 als Sneak Thief, einen günstigeren Ausgangpunkt für seine Weltreisen gesucht und gefunden. Berlin ist nun das Zentrum seiner Umtriebigkeit. Und wenn man erstmal in dieser Stadt der 10000 Elektronikkünstler wohnt, dauert es nicht lange und die erste Studiokollaboration steht ins Haus. Dass Morins Zusammentreffen mit Stephan Busche nun schon 5-jährige Früchte trägt, ist allerdings nicht unbedingt der Berliner Normalzustand. Ihre gemeinsamen Vorlieben für Electro, Funk und Italodisco scheinen einen guten Klebstoff abzugeben. Die große Melodie verbinden sie mit der richtigen Portion knarzendem Arschkick. Live ist das ein Ohrenschmaus der seltenen Art und wie schon angedeutet heute einmal als Soloprojekt von Sneak Thief a.k.a. Michel Morin und im Duo als Polygamy Boys zusammen mit Stephen Busche zu erleben.

FBS, im Kern ein Duo, ebenfalls aus Berlin werden auf dieser kleinen Drehmoment "DDR Tour" entweder zu dritt oder zu fünft auftreten. Das wollen sie noch im Ungewissen lassen. Womit wir uns leider begnügen müssen. Auch haben es die Künstler nicht so mit tollen Bildern, dafür aber schmeissen sie gleich vier Tracks via myspace site unter die Leute. Das sind electroide Stomper mit nicht zu verkennender, poppiger 80ies Attitüde, ihren musikalischen Vorbildern Dopplereffekt und Beta Evers nacheifernd.

Lesbian Mouseclicks sind medial nicht so scheue Wesen wie FBS. Bei ihnen hat Synthiepop, wie er in den Anfangs- und Mit-Achzigern genannt wurde, noch eine große Aufgabe vor sich. Und sie sind Teil davon. Als hätte es Erasure oder Depeche Mode nie gegeben, hauen sie in die Tasten der Keyboards und Synthesizer, dass einem das Sehen vergeht. Und na klar klingt das heute anders als vor zwanzig Jahren. Es hat sich ja nicht umsonst einiges getan auf der Geräteseite. Das große Gefühl verbunden mit ungestümer, ansteckender guter Laune ist auch für das Utrechter Trio zentraler Bestand ihres musikalischen Seins. Sie runden die Erkundung der Zeitgeschichte mit ihrem Transport ins heute, welche uns Das Drehmoment Label präsentiert, geschickt ab.

http://www.polygamyboys.com
http://www.myspace.com/polygamyboys
http://www.sneak-thief.com
http://www.myspace.com/sneakthiefberlin
http://www.myspace.com/fbsberlin
http://www.lesbianmouseclicks.com
http://www.das-drehmoment.com

Text: criticale


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