SA. 31.03.07 THE GODFATHER OF TECHNO SOUL + HARDWAX NIGHT

up: House: Welcome to my world:
EDDIE FLASHIN FOWLKES (City Boy Music, Detroit) STEFFEN BENNEMANN (Holger) TINY (Idealfun, Dresden)
down: Techno:
DJ PETE AKA SUBSTANCE (Scion Versions, Chain Reaction, Berlin) RENé A.K.A. VAINQUEUR (Hardwax, Berlin) STATICTHOMAS (Ex-Hardwax, Dresden)

Start: 23:00 | add to Cal


Eddie Fowlkes - dank seiner DJ-Skills mit dem Zusatz "Flashin" versehen - ist so ein bisschen der vergessene Held im großen Epos der Gründung von Techno Music. Während die "Belleville Three" (Atkins, Saunderson, May) heute gemeinhin als die Urheber dieses Sounds bekannt sind, wird häufig vergessen, dass zur gleichen Zeit Eddie in Detroit bereits fest etablierter DJ und ebenfalls einer der ersten "Techno"-Produzenten war. So veröffentlichte er als erster Gast-Künstler überhaupt auf Juan Atkins Label Metroplex. 1986 war das und die darauf folgenden Jahre sollten eine unheimliche Begeisterung für den Detroit-Sound erleben, besonders in Europa. Fowlkes betrachtete diese Entwicklung stets sehr skeptisch und kritisierte den Ausverkauf Detroiter Künstler jenseits des Atlantiks häufig mit deutlichen Worten ("Musik ohne Eier"). Doch auch er selbst unterschrieb bald einen Vertrag bei Tresor Records und veröffentlichte dort Anfang der Neunziger drei Alben. In dieser Zeit gründete er auch sein eigenes Label, City Boy, welches bis zum heutigen Tage existiert und vorrangig seinem eigenen Output dient. Mit aller gegebenen Bescheidenheit bezeichnet er sich als "Godfather of Technosoul" - einer von ihm selbst kreierten Stilrichtung, die den legendären Detroiter Motown-Sound mit dem maschinellen Funk der Techno-Generation verbindet. Wir sind gespannt, wie das klingt. Besonders, wenn man sich vor Augen führt, dass dieser Mann bereits seit drei Jahrzehnten hinter den Tellern steht - musikgeschichtlich eine Schallmauer, die selbst in unseren traditionsreichen Hallen noch keiner gebrochen haben dürfte. Diesen Ehrenpreis hätte Mr. Fowlkes also schon mal sicher - mal sehen, mit welchen weiteren Attributen sich Mr. Fowlkes in unserer Clubchronik verewigt.

http://www.myspace.com/efowlkes
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Text: Steffen Bennemann


Mythos Hardwax

In einer Zeit, da reine Internet-Shops und MP3-Stores mit ihren unschlagbaren Dumpingpreisen längst "herkömmliche" Plattenläden vom Spitzenplatz der Vertriebskette elektronischer Musik verdrängt haben, stehen alten Platzhirsche wie Kompakt (Köln), Freebase (Frankfurt) oder Optimal (München) weiter mit einer beruhigenden Präsenz Jahr für Jahr an der Spitze der Jahrespolls einschlägig bekannter Szenemagazine. Regelmäßig auf Platz 1 der Kategorie "Plattenladen" findet sich dabei das Berliner Hardwax: 1989 gegründet, verkauft man in dem Kreuzberger Hinterhofladen auch heute noch fast ausschließlich Vinyl. Eng verbunden mit dem Recordshop-Urgestein ist nicht nur eine der fruchtbarsten musikalischen Szenen des Landes, sondern auch ein ganzer Kanon an Mythen und Halbwahrheiten.

In den heute häufig glorifizierten Gründerzeiten des Phänomens "Techno" war das Berliner Hardwax von entscheidender Bedeutung - nicht nur für die deutsche Szene: Als einer der ersten europäischen Läden überhaupt versorgte man die Käuferschar hier mit raren Importen amerikanischer Techno- und House-Labels. Kraft dieses Erbes ist Hardwax auch heute noch Anlaufstation Nummer eins für jene, die auf der Suche nach alten Klassikern und legendären Labels wie Plus 8, Strictly Rhythm, Trax Records oder Dance Mania sind. Hilfreich für die Bedürfnisbefriedigung derartiger Nachfragen ist die seit jeher gepflegte enge Verzahnung mit dem aus dem Umfeld des Underground-Resistance-Kollektivs entsprungenen Detroiter Plattenladen und Vertrieb Submerge. Diese geradezu einzigartige transatlantische Verbindung bildet gleichzeitig einen wichtigen Eckpfeiler der für die Geschichte von Techno so wichtigen Achse Berlin-Detroit. Bis heute gehören die Platten von UR, Jeff Mills Axis-Label und des von Juan Atkins betriebenen Metroplex zu den meistverkauften im so umfangreichen Hardwax-Sortiment.

Ganz analog zu Submerge hat sich Hardwax jedoch auch als Vertrieb und Hort hauseigener Labels einen Namen gemacht. Der Einfluss der Anfang der Neunziger betriebenen Labels Basic Channel und Maurizio reicht bis in die heutige Zeit - die von den Hardwax-Gründern Mark Ernestus und Moritz von Oswald unter verschiedenen Pseudonymen produzierten Platten gelten gar als Blueprints eines ganzen Subgenres: "Dubtechno". Mitte der Neunziger trat im Hause Basic Channel der Gedanke von Techno zunehmend in den Hintergrund und man widmete sich mit neuen Labelnamen fortan eher dem Dub-Aspekt: Aber auch "Chain Reaction", "Burial Mix" und "Rhythm & Sound" sollten ihren Vorgängern bezogen auf ihre weltweite Relevanz in nichts nachstehen. Dank der exzellenten Soundqualität dieser Platten etablierte sich parallel die ebenfalls im Hause Hardwax angesiedelte Mastering-Firma Dubplates & Mastering als eine der führenden Adressen ihres Feldes.

Teil des Hardwax-Mythos ist jedoch auch sein Ruf als Anlaufpunkt für eine ganze Reihe der angesehensten DJs: Nicht nur in der Hauptstadt heimische Stars wie Ricardo Villalobos trifft man regelmäßig im Hardwax, auch seltene Gäste wie Jeff Mills oder Carl Cox lassen es sich nicht nehmen, hier vorbeizuschauen wenn sie einmal in Berlin sind. Daneben waren auch eine ganze Reihe von heute berühmten Künstlern selbst im Hardwax tätig: DJ Hell und Electric Indigo verkauften hier einst Platten, Cassy und Marcel Dettmann tun es heute noch. Der Einfluss des Berliner Vorzeige-Recordshops reicht dabei seit jeher weit über die Grenzen der Stadt hinaus: Angezogen von besagten amerikanischen Raritäten, nutzen DJs aus ganz Europa früher den Mailorder-Service. Inzwischen mit einem kundenfreundlicheren Onlineangebot ausgestattet, erfreut sich das Hardwax dank seiner exzellenten Auswahl an Neuheiten und dem einzigartigen Backstock bis heute eines treuen Kundenstammes sowie dem - eines Pilgerortes nicht unähnlichen - Status als Besuchermagnet für Techno-Touristen aus aller Welt.

Ein weiterer Garant für das Fortbestehen des Mythos ist das fortwährende Suchen nach neuen Sounds: Während andere Plattenläden stets nur bereits etablierte Trends aufgreifen und pushen, greift man im Hardwax neue Richtungen auch dann schon auf, wenn sie gerade erst im Entstehen sind. War das in den Neunzigern die sogenannte "Intelligent Dance Music" (IDM), so ist es heute der aus Großbritannien langsam herüberschwappende Dubstep-Sound. Wieder einmal war das Berliner Hardwax einer der ersten Läden in Kontinentaleuropa, die ein beträchtliches Angebot an Neuerscheinungen dieser jungen Stilart vorweisen konnten.

Mit Pete (übrigens ebenfalls Verkäufer im Laden und inzwischen feste DJ-Größe im Berghain) und René schickt uns das ehrwürdige Haus nun zwei seiner verdientesten Repräsentanten: Gemeinsam als Scion, aber auch solo als Vainqueur (René) respektive Substance (Pete) gehörten sie zu den ersten, die auf besagtem legendären Chain Reaction Label veröffentlichten und mit ihren individuellen Dubtechno-Entwürfen dessen Stil maßgeblich formten. War es einige Jahre recht still um die traditionsreiche Clique, so meldeten sie sich 2006 mit großartiger Remix-Reihe ("See Mi Yah Remixes") und der Label-Neugründung von Scion Versions fulminant zurück. Nicht weniger großartig und fulminant dürften die DJ-Sets von Pete und René ausfallen: Eine Fusion aus Tradition und Moderne, Harmonie und Tanzbarkeit - mit dem höchst bescheidenen Anspruch, eine Klasse für sich zu sein. Typisch Hardwax also.

http://www.hardwax.com
http://www.djpete.de
http://www.scionversions.de

Text: Steffen Bennemann


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